
Tagträume

Nach uralter Überlieferung soll am Ende eines Regenbogens immer ein Schatz zu finden sein. Nun, wenn man Plastikmüll und Kaninchenköttel als Schatz betrachtet, könnte man tatsächlich sagen: Bingo!
Parallelgedichte sind eine spannende Sache. In diesem Fall geht es um Nikolaus Lenaus feines Romantik-Gedicht „Der Postillion“ (linke Spalte). Die rechte Spalte ist eine schifferstadt-spezifische Anpassung von mir. Wer mit den Schifferstadter Örtlichkeiten vertraut ist, erkennt natürlich sofort die Tragik. Das Gedicht von Lenau ist, wie man unschwer bemerkt, ein Stückchen länger. Mir ist allerdings vorher das Geld ausgegangen.
links: Der Postillion (Nikolaus Lenau) ./. rechts: Schifferstadter Taxifahrt (W.Heidschuch)
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Lieblich war die Maiennacht, Dunkel war die Juninacht,
Silberwölklein flogen, ich kam strack vom Trinken.
Ob der holden Frühlingspracht Taxifahrt war angebracht,
Freudig hingezogen. konnte kaum noch hinken.
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Schlummernd lagen Wies‘ und Hain, Schifferstadter Hauptbahnhof,
Jeder Pfad verlassen; zähle meine Münzen.
Niemand als der Mondenschein Murmle die Adresse doof:
Wachte auf der Straßen. Robert Schumann fünzen.
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Leise nur das Lüftchen sprach, Ab geht sie, die wilde Fahrt,
Und es zog gelinder gefühlt in Richtung Süd.
Durch das stille Schlafgemach Auf der Rückbank aufgebahrt,
All der Frühlingskinder. zum Widerspruch zu müd.
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Heimlich nur das Bächlein schlich, Zweite Ampel rechts hinaus,
Denn der Blüten Träume dann dritte Abfahrt links.
Dufteten gar wonniglich Ist das echt mein Weg nach Haus?
Durch die stillen Räume. Jawohl, ich glaub, so ging’s.
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Rauher war mein Postillion. Augen halbmast, fast im Schlaf,
Ließ die Geißel knallen, murmle ich ‚Mensch Meyer‘.
über Berg und Tal davon Und tatsächlich, dort ganz brav,
Frisch sein Horn erschallen. steht das Ortsschild Speyer.
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Und von flinken Rossen vier Über einen großen Fluß,
Scholl der Hufe Schlagen, das war wohl jetzt der Rhein.
die durch blühende Revier Merke, dass ich dringend muss,
Trabten mit Behagen. allmählich zwickt der Wein.
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Wald und Flur im schnellen Zug Stadtrundfahrt durch Heidelberg,
Kaum gegrüßt – gemieden rechts oben liegt das Schloß.
Und vorbei, wie Traumesflug Und wie ich nun leider merk:
Schwand der Dörfer Frieden. Mein Hirn wird langsam kross.
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Mitten in dem Maienglück Kraftlos sink ich in den Sitz
Lag ein Kirchhof innen, und ängstlich schlaf ich ein.
Der den raschen Wanderblick Was ich durch die Rippen schwitz,
Hielt zu ernstem Sinnen. muss nicht gepinkelt sein.
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Hingelehnt an Bergesrand Enge Kurven wecken mich,
War die bleiche Mauer kriege reichlich Drall mit.
Und das Kreuzbild Gottes stand Diesen Weg, den kenne ich:
Hoch, in stummer Trauer. Da geht’s hoch zur Kalmit!
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Schwager ritt auf seiner Bahn Totenkopf und enges Tal,
Stiller jetzt und trüber; Rotsteig, Berggebrause,
Und die Rosse hielt er an, hundert Kurven, Tusch im Saal,
Sah zum Kreuz hinüber: schwupps, ich bin zu Hause.
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„Halten muss hier Roß und Rad, Langsam graut der Morgen schon,
Mags euch nicht gefährden; um 0 Uhr kam der Zug.
Drüben liegt mein Kamerad Geb dem Fahrer noch den Lohn,
In der kühlen Erden! 400 warn genug.
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Ein gar herzlieber Gesell! Schnell ist nun das Taxi weg,
Herr, `s ist ewig schade. man ist ja gut dabei.
Keiner blies das Horn so hell Nächster Gast: vom Bahnhofseck
Wie mein Kamerade! nach Robert Schumann 2.
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Hier ich immer halten muss,
Dem dort unterm Rasen
Zum getreuen Brudergruß
Sein Leiblied zu blasen!“
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Und dem Kirchhof sandt‘ er zu
Frohe Wandersänge,
Daß es in die Grabesruh
Seinem Bruder dränge.
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Und des Hornes heller Ton
Klang vom Berge wieder,
Ob der tote Postillion
Stimmt in seine Lieder.
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Weiter ging’s duch Feld und Hag
Mit verhängtem Zügel;
Lang mir noch im Ohre lag
Jener Klang vom Hügel.
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